Jesus auch im Koran mehr als ein Prophet?

Ist Jesus auch im Koran mehr als ein Prophet?

Muslime verehren Jesus als einen der grossen Propheten (Nabi) und Gesandten Gottes (Rasul), die bereits in den Zeiten vor Mohammed die Botschaft von Gottes Barmherzigkeit, Gottes Willen und Gottes Gericht über die Menschen am Ende der Zeiten verkündeten. Im Koran heisst Jesus Isâ. Diese Form stammt wohl aus dem Syrischen, der Sprache, die die Christen im Nahen Osten damals benutzten.

Mehrfach wird Jesus im Koran mit seinem Beinamen al-Masih, der Messias oder Christus, genannt; allerdings erklärt der Koran diesen Titel nicht näher. Meistens wird von ihm als dem „Sohn der Maria“ gesprochen. 15 Koran-Suren erwähnen Jesus; im Ganzen beziehen sich 108 Verse auf ihn.

 

Seine Entstehung

Jesus hat gemäss Koran nicht nur gewaltige Wunder getan, sondern er ist selbst ein Wunder, denn er wurde von Gott durch ein Schöpfungswort im Leib der Jungfrau Maria geschaffen (Sure 2:91). Keinem Muslim ist es erlaubt, etwas Unehrenhaftes über Jesus oder seine Mutter Maria (Maryam) zu sagen. Wird der Name Jesu oder eines anderen Propheten genannt, so fügt der fromme Muslim den Segenswunsch <Friede sei über ihm> hinzu.

Gott schuf Jesus als ein „Zeichen“ seiner Barmherzigkeit gegenüber den Menschen in aller Welt, da durch Jesu Predigt später viele Menschen zum Glauben an den einen Gott kommen sollten.

 

Die Aufgaben Jesu

Der Koran sieht die Aufgaben Jesu vor allem darin, dass er als Prophet die „Kinder Israel“, die von den Lehren Moses abgefallen waren, erneut in den Gehorsam gegenüber Gott und seinen Geboten ruft. Jesus erhält die Erlaubnis von Gott, als Beweis für seinen göttlichen Auftrag Zeichen und Wunder zu tun.

Erwähnt wird vor allem die Erschaffung eines lebenden Vogels aus Lehm (Sure 3:49; 5:110) – eine Wundergeschichte, die nicht im Neuen Testament steht, aber in der frühen Christenheit bekannt war. Hier haben wir einen Anhaltspunkt, dass Jesus nach den Aussagen des Koran Leben schaffen kann und somit mehr als nur ein Prophet sein muss.

Der Koran berichtet, Gott habe auf Jesu Bitte hin einen Tisch mit Speisen vom Himmel herab kommen lassen (Sure 5:112).

Auch Krankenheilungen und Totenerweckungen Jesu werden im Koran erwähnt, doch ohne die in den Evangelien erzählten Einzelheiten (Sure 3:49; 5:110).

Jesus ist der einzige Prophet, von dem der Koran Wunder dieser Art berichtet. Nach Aussagen des Koran ist das einzige Wunder, das Mohammed gewirkt hat, der Koran. Jesus wird als „Geist von Gott“ (rûh Allâh, Sure 4:171) und auch als „Wort von Gott“ (kalimah Allâh) bezeichnet (Sure 3:39,45; 4:171). Seine Friedfertigkeit und Milde (Sure 19:32) wirken auf die Menschen, sie verbreiten in seiner Gemeinde Frieden, Wohlergehen und Segen (Sure 57:27).

Der Koran berichtet, dass Jesus kam, um ein Buch, das Evangelium (Injil), zu überbringen. Nach dem Zeugnis der Bibel war Jesus selbst das Wort Gottes (Joh 1,1-14), die Frohe Botschaft von der Gnade Gottes für alle Menschen, die nicht nur die Lehre Jesu, sondern auch sein Leben, Leiden und Sterben sowie seine Auferweckung durch Gott umfasst.

 

Tod und Auferstehung Jesu

Nach islamischer Auffassung ist Jesus nicht am Kreuz gestorben. Diese Meinung gründet sich auf folgende im Koran erwähnte Auseinandersetzung:

„Sie (die Juden) sagten: <Wir haben Christus Jesus, den Sohn der Maria und Gesandten Gottes, getötet>. Aber sie haben ihn in Wirklichkeit nicht getötet und auch nicht gekreuzigt. Vielmehr erschien es ihnen nur so“ (Sure 4:157).

Nach dem Koran hat Jesus schon als Säugling folgende Worte gesagt: In Sure 19:33 heisst es als Wort Jesu: „Heil sei über mir am Tag, da ich geboren wurde, am Tag, da ich sterbe, und am Tag, da ich wieder zum Leben auferweckt werde.“

Wenn Christen von Jesus als „Sohn Gottes“ reden, verstehen Muslime diese Bezeichnung im Sinne von leiblicher Herkunft; sie werden damit an altarabische Vorstellungen von Götterfamilien erinnert (vgl. Sure 53:19). Siebenmal wird im Koran berichtet, dass Christen Mohammed zu erklären versuchten, Gott habe einen Sohn. Sie benutzten dabei mit einer Ausnahme das Wort „Walad“, was ein biologisch erzeugter, leiblicher Sohn ist. Im Umfeld Mohammeds sprachen Christen von Maria als der Mutter Gottes. Immer wieder wird darum im Koran betont, dass Gott keinen Sohn gezeugt habe. Der Koran beschreibt die Dreieinheit als Gott Vater, Gott Mutter und Gott Sohn. Eine solche Dreieinheit lehnen alle Christen ab.

Wichtig ist, dass es hier um eine geistliche Dimension geht und nicht um die materielle Zeugung eines Sohnes auf menschliche Art.

 

Ist Jesus auch im Islam mehr als nur ein Prophet?

Schon manchem aufrichtigen Muslim ist beim Lesen des Koran diese Frage aufgekommen. Es werden von Jesus Dinge gesagt, die bei keinem Propheten – nicht einmal bei Mohammed – eine Parallele haben. Jesus ragt im Koran weit heraus über alle anderen Propheten. Er wurde von der Jungfrau Maria geboren, erhielt einzigartige Titel wie Messias, Wort und Geist Gottes. Laut Sure 3:48-54 heilte er Kranke und weckte Tote auf. In derselben Sure wird jeder Mensch dazu aufgerufen, Jesus zu gehorchen und das Evangelium zu lesen. Entgegen der populären Auffassung der Muslime, dass alle Propheten sündlos waren, wird im Koran nur Jesus als sündlos dargestellt; ihn habe Gott dann zu sich aufgenommen.

Auch wenn der Koran, unter anderem aufgrund häretischer Lehren und missverständlicher Kommunikation seitens der Christen damals, nur ein verzerrtes und oft sogar fälschliches Bild von Jesus gibt, erkennen doch immer wieder Muslime durch das Lesen des Korans, dass Jesus mehr als nur ein Prophet ist. 

 

Markus Frauchiger